Seriöser Ballettunterricht
Ich wurde schon mal gefragt, ob ich auch „seriösen Ballettunterricht“ anbiete.
Diese Frage kam von einer Mutter, die ihr Kind zu einer Schnupperstunde bei mir vorbei brachte.
Es schwang natürlich die Angst mit, gutes Geld für schlechte Leistung zu zahlen.
Sie blieb die ersten 5 Minuten zum Zuschauen, in denen sich die Kinder bei mir auf eine witzige Musik warmlaufen, ging dann, und sah nur noch die letzten 5 Minuten, bei denen sich die Kinder bei mir wieder austoben durften und wild durch den Raum sprangen.
Unsere Zeit im Sitzen am Boden zur Kräftigung und Dehnung der Muskulatur, unsere Übungen auf neue Popsongs an der Stange und unsere Sprünge über Yoga-Matten von der Seite hat sie nicht gesehen. Sie sah die Kinder am Schluss lachen und kichern und wie sie auf die Akzente der Musik mit bunten Tüchern in der Hand wie von der Tarantel gestochen wild durch den Raum sprangen und nassgeschwitzt, aber glücklich ihr Belohnungssteinchen aus der Schatzkiste holen durften.
Klar, dass das erst mal ein verschreckendes Bild ist, für jemanden der von einer anderen Schule kommt, in der strikte Ordnung und Disziplin herrschen.
Dass die Kinder alle gleich angezogen sind, in Reih und Glied an der Stange stehen, keines sich traut zu lachen oder auch nur laut Luft zu holen, vor dem Lehrer/der Lehrerin einen Knicks machen müssen, ist keine Garantie dafür, dass die Kinder etwas lernen.
Ich frage mich: Was davon ist nötig, damit die Kinder besser werden?
Die passende Trainingskleidung natürlich, aber müssen alle die gleiche Farbe haben?
Die ordentliche Frisur auf alle Fälle, aber dürfen die Kinder deshalb nicht lachen?
Der Lehrer als Autorität, klar, aber darf er nicht auch ein Freund sein?
(Definition: Disziplin.
1a; Das Einhalten von bestimmten Vorschriften, vorgeschriebenen Verhaltensregeln.
1b; Die Beherrschung des eigenen Willens.)
Natürlich ist Disziplin ein wichtiger Faktor um Erfolg zu haben und weiter zu kommen.
Welche Art von Disziplin ist sinnvoll, brauchbar und erwünscht?
Die Disziplin, die vom Dozenten lautstark eingefordert wird oder die Disziplin, die aus dem Kind und aus seiner Leidenschaft erwächst?
Ist es nötig, dass Schüler wie Soldaten und Befehlsempfänger still auf ihre Aufgaben warten oder erlaube ich ihnen auch mal zu fragen: „Machen wir heute die Übung XY? Biiiiiiiitteeeeee!“
Das Wiederholen ein und der selben Übung über Wochen und Monate bedeutet auch nicht, dass das Kind besser wird, oder die Muskeln kräftiger. Und dass die Kinder ein und die selbe Übung ohne zu widersprechen ausführen, bedeutet nicht, dass sie etwas lernen.
Grundsätzlich wollen Kinder besser werden, das kann ich mir zunutze machen.
Es geht nicht darum, dass sie ein Battement Tondu machen, sondern WIE sie ein Battement Tondu machen.
Dafür müssen sie die genaue technische Ausführung verstanden haben.
Das Verständnis für die korrekte Ausführung erreiche ich nur durch die richtige Korrektur, beim richtigen Kind, im richtigen Moment.
Das erfordert Kreativität, Fachwissen und Aufmerksamkeit. Trifft der Lehrer aber genau den richtigen Zeitpunkt, hat er ein Samenkorn gelegt, dass dann alleine wachsen kann. Wenn die Kinder den Sinn einer Korrektur verstanden haben und den Vorteil des Umsetzens erkennen, arbeiten sie fleißig und selbstständig daran weiter.
Jede Korrektur, die gegeben wird in einem Moment der Unkonzentriertheit ist verschenkt und frustriert mich als Pädagoge.
Deshalb achte ich lieber darauf, wenn die Kinder diese Feinarbeit, wie sie im klassischen Ballett nun mal nötig ist, einfordern, wenn es schon fast eine Belohnung ist mit beiden Händen an der Stange zu stehen, sich still zu halten und konzentriert zu arbeiten. Dann werden Korrekturen aufgesaugt wie von einem trockenen Schwamm. Steht die Gruppe geschlossen und aufmerksam vor mir, arbeiten wir gezielt und mit viel Theorie an Technik, Platzierung und Ausführung. Ich habe verschiedene Anatomie-Bilder zur Hand und kann den Kindern gezielt ihre Fragen beantworten und Tipps zur Ausführung geben. Wir arbeiten gemeinsam und zusammen. Wir erforschen und entdecken. Und schließlich höre ich von den Kindern: „Es klappt!“ oder „Marianne, schau mal, so?“
Dazu kommt, dass sie durch das Verständnis der Übungen selbst erkennen, wann sie wie und wo besser werden und nicht von meinem Urteil abhängig sind. Das spornt noch mehr zum Üben und arbeiten an.
Wenn die Kinder wild und unausgeglichen sind mache ich lieber Kraftübungen oder Ausdauertraining, oder eben Übungen, die einfach Spaß machen, bei denen aber trotzdem die Koordination, die Kreativität oder die Balance verbessert wird. Somit lernen die Kinder auch hier etwas, auch wenn wir uns nicht an den strikten Ablauf eines klassischen Stundenbildes halten.
Das og. Schnupperkind ist übrigens bei mir geblieben. Die Mutter hat bei der anderen „seriösen“ Ballettschule gekündigt und das Mädchen kommt nun jede Woche mit strahlenden Augen zu mir in die Stunde.
Die Mutter ist zufrieden, weil die Schülerin nun auch zu Hause Ballett übt und fleißig ihre Ballett-Hausaufgaben macht und somit auch im Eiskunstlauf besser wird.
Was für Sie einen seriösen Ballett-Unterricht ausmacht, müssen Sie selbst entscheiden. Welche Art von Disziplin Sie sich für Ihr Kind wünschen (Gehorsam oder Selbstbeherrschung), liegt auch in Ihrem Ermessen.
Wenn Sie sich für Ihr Kind wünschen, dass es Spaß am Tanzen hat, sich verbessert und selbstständig arbeitet, eigene Ideen umsetzt und auch mal den Lehrer in Frage stellt, dann sind Sie bei mir in der richtigen Schule.