Warum jetzt, wo überall so viel los ist?
Sommeraufführung die 2te:
Ergänzung zum Blogeintrag vom 28.05.2018
Alles ist im Sommer. Hochzeiten, Omas 80igster Geburtstag, das Sommerfest im Kindergarten, der Abschied von der alten Schule, Firmung, Erstkommunion und eigentlich will man an den See.
Warum mache ich dann ausgerechnet da dann auch noch die Sommeraufführung, wo es dann noch wichtiger ist, regelmäßig in den Unterricht zu kommen. Wo auch noch Proben an den Wochenenden (3x !?!) dazu kommen. Wo die Mamis eh schon nur noch am rumfahren und basteln und Kuchenbacken und organisieren sind? Dann soll hier auch noch eine Ballettaufführung organisiert werden!!! Muss das sein?
Ja, genau aus diesem Grund.
Wir leben leider in einer Gesellschaft, wo zwar verlangt wird, dass die Kinder etwas lernen, aber sobald es nur ein oder zweimal sagt: "Ich hab keine Lust mehr!", hab ich die Kündigung auf dem Tisch.
Wenn ich den Ablauf des ganzen Schuljahres so anschaue, kann man den kurz so zusammenfassen:
Nach den langen Sommerferien kommen die Kinder gierig zu mir in den Unterricht. Neugierig auf Neues, Freude über die alte Routine und Erweiterung der Kenntnisse.
Ein neues Motivations- und Lern-Hoch habe ich nochmal ab Februar. Notenschluss zum Halbjahr in der Schule, draußen ist es noch kalt und ungemütlich, in meinem großen Saal kann man sich austoben und seine Freunde im Unterricht treffen.
Am meisten zum Lernen und arbeiten sind die Kinder in dieser Zeit bereit. September bis Ostern. Da kommen wir mit trockener Technik, anstrengenden Strechingroutinen und Krafttraining am weitesten.
Ab da muss ich wieder etwas neues bringen, womit ich die Kinder aber dann auch über die warmen Sommermonate zu mir in
den Unterricht locken kann.
Durch og. Stressfaktoren, weiß ich dass man als Mutter sehr dazu geneigt ist, wenn das Kind sagt: "Ich will heute aber
nicht ins Ballett!" zu sagen: "Ok, dann bleibst Du halt zu Hause."
Oder auch, wenn man sich bewusst ist, dass es nicht gut für die Erziehung und für die Zukunft ist, wenn man dem kleinsten Jammern gleich nachgibt, sind doch die Nerven der Mütter gerade im Sommer nah an der Grenze, was ich absolut verstehe. Es ist doch soviel einfacher einfach nach zu geben. Und sie sollen ja sowieso keine Profi-Tänzer werden.
Ab dem Moment, wo den Kindern aber klar ist, dass wir auf die große Sommeraufführung hinarbeiten, ist mir nie mehr
aufgefallen, dass es zu Hause Probleme gab, mit dem Thema: "Ich will heute nicht ins Ballett!". Egal ob müde oder Schnupfen. Die Kinder wissen, wie wichtig die Anwesenheit auch für die Gruppe
ist.
Kündigungen werden ab da teilweise sogar wieder zurück gezogen.
Natürlich gibt es auch zu dieser Zeit, Verletzungen, Schulveranstaltungen, Klassenausflüge, dass man das ein oder andere
Mal nicht ins Ballett kommen kann. Das kalkuliere ich ja mit ein und bin mir trotz meiner hohen Ansprüche an mich selbst und an die Qualität der Aufführung bewusst, dass es eine Kinder- bzw.
Schülerveranstaltung ist. Was nicht klappt, klappt halt nicht. Auch versuche ich die Zusatzproben so gering wie möglich zu halten. Für die größeren Gruppen 3x eine Stunde am Wochenende pro
Gruppe.
Ich habe auch schon andere Variationen in Gedanken durchgespielt.
Mir ist es wichtig, dass alle Kinder und alle Gruppen mitmachen. (Siehe Blogeintrag: Warum auf die Bühne!)
September beginnt das Schuljahr, in den Sommerferien ist niemand da. Angebote die ich in den Sommerferien schon versucht habe, werden so gut wie nie angenommen, also kann ich eine Aufführung im Herbst ausschließen.
Dezember ist auch überall Stress. Außerdem würde eine Aufführung im Dezember bedeuten, eben nicht zu trainieren, sondern zu proben was andere Lernziele und Schwerpunkte hat.
Januar und Februar ist og. Lernhoch. Mit Gruppen, mit denen ich in dieser Zeit an Faschingsveranstaltungen teilnehme und somit die Trainingszeit für die Auftritte opfere, sind technisch und kräftemäßig schlechter aufgestellt wie Gruppen, mit denen ich diese Zeit konsequent weiter arbeite.
Nach dem großen Aufwand, den so eine Aufführung mit sich bringt fällt man energetisch unweigerlich in ein Loch.
Würde ich die Sommeraufführung in den Mai setzen, kommt direkt an den Anschluss der Aufführung das
„Endlich-Warmes-Wetter-ich-will-an-den-See“-Motivationstief, zusammen mit den ganzen Sommer-Abschluss-Schön-Wetter-Festen die in jeder Schule, in jedem Sportverein und in jedem Kindergarten
stattfinden.
Wenn also kein wichtiger Grund ist ins Training zu kommen und überall nur Stress ist, wie leicht lässt man dann die Ballettstunde ausfallen?
Alternativ würde natürlich auch die Möglichkeit bestehen, die Aufführung aus dem laufenden Unterricht auszuklammern, was
aber 10-20 Wochenendproben bedeuten würde und dann auch nicht ALLE Kinder mitmachen könnten. (Siehe Weihnachtsaufführung)
Womit soll ich aber dann auch das Fortbestehen meiner Schule sichern, wenn ich dann das Risiko eingehe: "Alle sind müde von der Aufführung, das Wetter draußen ist schön, überall ist sowie so nur Stress: Lass uns doch das Ballett kündigen!"
Dass könnte ich dann nur verhindern, indem ich ein Kündigungsverbot in diesen vier Monaten (z. B. Mai bis August) in die AGB´s aufnehme und ab September sich der Vertrag automatisch um eine weitere Zeit verlängert, in der Hoffnung, dass die Kinder nach den Sommerferien wieder kommen.
Die Erfahrung zeigt aber auch, dass Kinder die mal eine längere Pause gemacht haben, nur sehr schwer wieder in der
Gruppe ankommen und meistens nicht mehr bleiben. Die Gruppe hat Fortschritte gemacht, die Dynamik hat sich verändert, Freundschaften haben sich entwickelt. Ein Kind das ein paar Monate
fehlt, kommt in seiner alten Gruppe nicht mehr wirklich glücklich zurecht.
Ich denke 30-40% der Kinder würde ich jedes Jahr verlieren, wenn ich die Sommeraufführung nicht oder eben zu einer
anderen Zeit machen würde. Was meiner Meinung nach auch für die Eltern beim Fenster rausgeworfenes Geld bedeutet, wenn das Kind nach so kurzer Zeit wieder aufgibt. An meinen Teenagern sieht man
aber dann die Fortschritte, wenn man sich durch diverse Motivationslöcher mal durchgebissen hat.
In jedem Schnupperkind sehe ich ein Samenkorn, dass dann in 3-5 Jahren (!) als wunderschöne Blume auf meiner Bühne tanzt. Ich habe Freude, wenn aus der einfachen wackeligen, endlich eine sichere doppelte Piruette wird. Wenn aus den schweren Beinen endlich fliegende Schönheiten werden. Wenn das Kind aber nach einem Jahr kündigt, weil das Wetter so schön ist, ... ???
Ich versuche alles so transparent wie möglich zu gestalten.
So früh wie möglich, hängen Ablauflisten am weißen Brett im Eingangsbereich meiner Schule.
Es besteht je nach Gruppe die Möglichkeit erst zur Pause zu kommen, es kann nach der Generalprobe gleich gegangen werden. Niemand ist verpflichtet bis zum Schluss zu bleiben. Wer mehr von den anderen Gruppen sehen möchte kommt früher oder bleibt länger.
Dieses Jahr, wo wir aufgrund des Sitzplatzmangels zwei Aufführungen machen, haben die Eltern die Möglichkeit sich mit Fahrgemeinschaften abzusprechen. Oder die eine Aufführung schauen Oma und Opa zu und fahren das Kind, die andere Aufführung Mama und Papa.
Die Eltern können selbst die Kostüme organisieren. Somit ist niemand verpflichtet für 60,00 Euro ein teures Ballettkostüm zu kaufen, das ich mir in den Kopf setze, sondern wir sprechen uns ab. Meistens kommen wir mit Sommerkleidchen oder einer kurzen Hose mit T-Shirt für alle Kinder je Gruppe aus. Auch versuche ich mit Geld das übrig bleibt meinen Fundus zu erweitern. Letztes Jahr hatte ich schon die ersten Gruppen, die überhaupt kein Kostüme kaufen mussten.
Ich weiß, die meisten Eltern stehen hinter mir. Trotzdem bin ich jedes Jahr wieder in Erklärungsnot, warum ich Sachen so mache, wie ich sie mache.
Ich hoffe ich konnte nun einen Großteil der Fragen ausreichend beantworten und freue mich, wenn wir nun nach Ostern hochmotiviert mit dem Erarbeiten der Choreographien beginnen.